Altbäume: Was ist ein Baum wert?
Zwei konträre Beispiele zum Umgang mit Naturmonumenten
Altbäume im öffentlichen Straßenraum stehen oft im Spannungsfeld zwischen den Erfordernissen der Verkehrssicherung und der kulturellen und ökologischen Wertigkeit des Baumes.
In den letzten Jahren sind die Ängste der Verantwortlichen in Kommunen und bei Behördenvertretern unbestritten gestiegen. Dabei ist die rechtliche Grundlage zur Verkehrssicherung eindeutig: Jährliche Baumkontrollen im Frühjahr und Herbst durch qualifizierte Sachverständige bringen die erforderliche Rechtssicherheit für die Verantwortlichen. Falls entsprechende Pflegemaßnahmen erforderlich sind, werden diese im Kontroll-Protokoll sowohl qualitativ als auch terminlich fixiert. Damit sollten die Rahmenbedingungen zum sinnvollen Erhalt wertvoller Altbäume im öffentlichen Raum ausreichend sein.
Alte Bäume haben keine Lobby: Das traurige Negativ-Beispiel der „Methusalem- Eiche“
Die alte Eiche steht auf einer Fläche der Bayerischen Staatsforsten am Ortsrand von Illereichen in Richtung Dattenhausen.
Mit ihrer umfangreichen Krone dominierte sie lange Zeit maßgeblich den Waldrand. Jedoch ließ der zuständige Revierförster
Wagner im Februar die mächtige Eichenkrone vollständig kappen, obwohl ein externes Ultraschall Gutachten die Standsicherheit des Baumes bestätigte.
Der BUND Naturschutz hatte das Gutachten auf eigene Kosten in Auftrag gegeben. Der externe Gutachter schrieb eine „geringfügige Kronenreduktion und das Einsetzen von Starkastsicherungsgurten“ vor. Insgesamt wäre das optische Bild der markanten Krone aber in jedem Fall erhalten geblieben.
Der BUND Naturschutz hatte außerdem die Ausweisung des außergewöhnlichen Baumriesen als Naturdenkmal beantragt. Dieser Antrag hätte dem Baum einen dauerhaften Schutzstatus beschert. Zudem hatte der BUND Naturschutz den Bayerischen Staatsforsten angeboten eine Baumpatenschaft zu übernehmen. Dies hätte bedeutet, dass der BUND Naturschutz die Organisation und Durchführung der Baumpflege und auch die Verantwortung im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht weitestgehend übernimmt.
Dieses Angebot haben die Bayerischen Staatsforsten abgelehnt.
Es klang fast wie Hohn, als der zuständige Staatsförster Wagner bezüglich des jämmerlich aussehenden verbliebenen Torsos davon sprach, dass hier „Lebensraum entstünde“. Der ursprünglich vorhandene, existente Lebensraum für Vögel, Kleinsäuger und Insekten in der mächtigen Baumkrone war um ein 1000-faches höher. Nach der unvorhersehbaren Baumkappung sandte der BUND Naturschutz ein Beschwerdeschreiben an die Bayerischen Staatsforsten und kritisierte die fachliche Inkompetenz des Revierförsters. Dieser hatte nach einem Sturm, den der Baum schadlos überstanden hatte, nicht einmal den externen Gutachter
zur Standsicherheit der Eiche befragt, sondern umgehend tabula rasa gemacht und die Eiche kappen lassen. Der Baum wurde verstümmelt.
So ein baumfeindliches Vorgehen ist aus Sicht des BUND Naturschutz unerträglich. Als Forstmann müsste der Revierförster den fachlichen Hintergrund haben, um die Sachlage angemessen einzuschätzen. Die Angst vor der Verantwortung war offensichtlich für Herrn Wagner zu groß. Stellen mit derartiger Verantwortung sollten nicht mit Personen besetzt werden, die der Verantwortung nicht gerecht werden können.
Als Kreisgeschäftsführer des BUND Naturschutz habe ich die Freiheit der Meinungsäußerung in der Freinacht zum 1. Mai dazu genützt, der verstümmelten 180-jährigen Eiche bei Dattenhausen eine Stimme zu verleihen. Im Morgengrauen gegen 6.00 Uhr brachte ich in einer corona-angepassten Einzelaktion ein Plakat mit der Aufschrift „Baum - Verstümmelung des Försters Wagner“ an dem verbliebenen Stamm des einst stattlichen Baumes an. Diese Plakataktion zum 1. Mai war für mich auch als Mensch Bernd Kurus-Nägele absolut wichtig, weil ich diesem Baum eine Stimme verleihen wollte.
Dieser Baum war ungefähr seit den Jahren 1840 bis 1850 an diesem Ort gewachsen. Er hatte viele Jahre den Waldeingangsbereich mit seiner monumentalen Krone maßgeblich optisch geprägt, bevor er in einer gänzlich verfehlten Aktion verstümmelt wurde. Im Landkreis Neu-Ulm gibt es im öffentlichen Straßenraum nicht einmal 10 alte Eichen in dieser Alterskategorie.
Stadt Senden und BUND Naturschutz: Rettung der Linde an der Kapelle in Ay
Glücklicherweise gibt es auch Positiv-Beispiele zum Umgang mit Altbäumen. Dies zeigt der kooperative Rettungsversuch der alten Linde an der Kapelle in Ay.
Der Baum leidet seit Jahren an mangelnder Wasserversorgung und an den rückläufigen Grundwasserständen im Illertal. Die ungefähr 90-jährige Linde prägt maßgeblich das Bild an der Kapelle in Ay. Der Baum konnte wegen der umgebenden
Bepflasterung bis zum Stamm auch das wenige Niederschlagswasser nur noch geringfügig aufnehmen. Die Folge waren gerade in den letzten beiden Sommern massive Trockenschäden. Der flächige Laubverlust war bereits in den Sommer-Monaten Juli und August zu sehen.
Als Vertreter des BUND Naturschutz wandte ich mich an die Stadt Senden mit der Bitte das Pflaster entfernen zu dürfen und lockeres Bodensubstrat, sowie eine Baumnährstoffversorgung einbringen zu dürfen. Die Stadtverwaltung und die Grünpflegeabteilung unter Herrn Rösch stimmte zu und unterstützte die Maßnahme finanziell und durch die Bereitstellung eines Containers für das ausgebaggerte Pflaster und das anfallende, nicht geeignete Bodenmaterial.
Im Oktober wurde die Maßnahme dann durchgeführt und die Linde von ihrer Bepflasterung befreit.
Mit Minibagger und in Handarbeit waren 4 Bund Naturschutz Aktive tätig, um das Pflaster zu entfernen und in Handarbeit die Wurzelanläufe freizulegen. Im Anschluss wurde lockeres Bodensubstrat mit Nährstoffdüngung eingebracht. Nun hoffen BUND Naturschutz und die Stadt Senden darauf, dass sich die Linde erholt, in den nächsten Jahren wieder austreibt und neue Äste und Blätter anlegen kann. Dies wäre ein großer Gewinn für diesen bedeutenden Platz in Senden.
Hier zeigt sich an zwei regionalen Beispielen, dass es in der Hand der Verantwortlichen liegt, ob das Möglichste getan wird, um Altbäume zu erhalten. Es ist ein Armutszeugnis für alle Verantwortlichen, die unter dem Vorwand „Gefahr im Verzug“ zum angeblichen „Wohle der Allgemeinheit“ Lebewesen verstümmeln oder fällen, die weit mehr als doppelt so alt sind wie sie selbst.
Ein Lob von Seiten des BUND Naturschutz für alle Verantwortlichen, die versuchen den Baumriesen mit größtmöglichem Einsatz zum Erhalt gerecht zu werden.
Denn diese Achtung und Ehrfurcht haben diese bedeutenden, sehr alten Lebewesen in jedem Fall verdient.
Bernd Kurus-Nägele (Kreisgeschäftsführer)